INTERVIEW MIT DAVID GLOWKA

wbh: Magst du unseren Leser*innen kurz von deiner Arbeit und deinem Leben erzählen.

Ich bin Bäckermeister mit Leib und Seele. In Reudnitz. Man hat mir schon immer gesagt, und da war ich erst vier, der Junge will mal Bäcker werden. Ich gehe mit 97 in Rente. Die Kunden tragen mich dann aus der Backstube raus.

wbh: Wo bist du aktiv, wofür engagierst du dich und trittst du ein?

Nicht wirklich. Politisch engagiere ich mich nur insoweit, dass ich meine „Linksautonomen“ in Reudnitz davor warne, sich instrumentalisieren zu lassen. Ich meine das aber auch mit dem sprichwörtlich erhobenen Zeigefinger für alle. Die sollen sich ihre eigenen Ideen beibehalten. Das Bauchgefühl, mit dem sie sich wohlfühlen oder nicht. Das ist mein Engagement. Und natürlich mein Handwerk, dass ich sehr hochhalte.

wbh: Wie fühlt es sich an, in Sachsen Politik aktiv mitzugestalten?

Weiß ich nicht, weil ich nicht mitmache. Aber, vielleicht zählt es, wenn ich sage, dass ich mich mit Menschen unterhalte und zuhöre. Das bringt manchmal auch der Beruf mit sich. Bei meinen „Linksautonomen“ habe ich das Gefühl, dass sie nicht wissen, wo sie hingehören. Und ich spreche mit ihnen. Und sie verstehen mich. Ist das politisch aktiv?
Oder vor Weihnachten gehe ich meine Spendenaktionen durch. Dann mache ich mir mein Weihnachtsfest und spende an sieben oder acht Projekte. Ich schiebe mein Geld dorthin, wo es gebraucht wird. Das macht mir Freude. Zumal ich sehe, dass diese Projekte nicht von staatlicher Fürsorge gestreichelt werden.
Ich habe Jajweh aus Gambia eingestellt. Er hat ein Bleiberecht für ein halbes Jahr. Vorher hatte ich einen Syrier bei mir beschäftigt. Und davor einen Libyer. Das ist mein Beitrag für die Gesellschaft.
Ich hänge schon mal ein Plakat auf Augenhöhe in mein Fenster für Demos gegen Rechts. Dann fragen mich die Kunden schon mal, das sei doch ein klares Statement. Ja, sage ich dann. Ich kann mir rechts nicht leisten.

wbh: Warum ist es wichtig, dass sich jede*r mit Politik beschäftigt und diese aktiv mitgestaltet und wie?

Ich bin Teil des Ganzen. Schlichtweg. Es wird mich immer betreffen. Es ist redlich ungeschickt, sich als Fußgänger am Straßenverkehr zu beteiligen, wenn ich die Straßenverkehrsordnung nicht kenne. Und so sehe ich es mit der Gesellschaft.

wbh: Wie kann man die Themen Politik, Beschäftigung mit Demokratie und unseren Grundwerten stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit bringen?

Das ging früher besser, als ich noch selbst verkauft habe. Da habe ich viel gequatscht. Da war die von der Leyen noch Familienministerin. Und ich habe zu den Frauen gesagt, was meckert ihr, die Frau macht aber etwas. Also, in erster Linie sehe ich eine Lösung im Miteinanderreden. Von Mensch zu Mensch.

wbh: Was ist unser Erbe, was ist unsere Zukunft?

Wir haben das alles schon richtig gekonnt. Es hat den „Frühling der Völker“ gegeben im 19. Jahrhundert. Das ist unser Erbe. Wir können das alles. Zumindest die alten Kulturen konnten das. Und wir?

wbh: Was wünschst du dir für ein besseres menschliches Miteinander?

Da war jetzt das Buch „The big five for life“ von John P. Strelecky. Wir sollten uns alle Duzen, dann wäre die Welt eine bessere Welt?! Über die Empathie ließe sich mehr erreichen.

wbh: Was bedeuten für dich Freiheit, Schutz der Menschenwürde und Gleichberechtigung?

Wir halten Menschenwürde und Gleichberechtigung für selbstverständlich. Für andere ist das gar nicht so. Sollte Wilhelm Busch recht behalten: „Die Welt ist so geräumig und der Kopf ist so beschränkt.“ Da hilft es auch nicht, den Ausländer zu verteufeln. Sie kennen unsere Welt gar nicht. Wir sollten ihnen erst unsere Welt zeigen, dass sie uns verstehen. Aber, das bekommen wir gar nicht hin, weil wir nicht miteinander reden. Wir sind nicht mutig genug, uns mit der Wahrheit auseinanderzusetzen. Und dazu gehört auch, dass wir die Sozialromantik in dieser Frage beiseitelassen sollten. Wir müssen den Menschen als Menschen betrachten unabhängig von seiner Herkunft.

wbh: Wie wichtig sind Kunst und Kultur, Bildung, Medienkompetenz, Soziales, Jugendhäuser und psychologische Betreuung für unser Zusammenleben?

Für uns sind diese Dinge zu selbstverständlich, deshalb nehmen wir sie gar nicht mehr so wahr. Ich habe mir die Frage gestellt: David, wann warst du das letzte Mal in einer Ausstellung, im Theater …
Da gibt es für mich immer ein Bild über die Initiationsrituale: In dem Roman „Nachtzug nach Lissabon“ heißt so ungefähr: Wenn wir zu uns gehen, dann müssen wir uns unserer Einsamkeit stellen. Ein schöner Satz. Um dort zu sehen, welchen Zweck meine Existenz hat. Und was sind die fünf wichtigen Dinge in meinem Leben. Uns fehlt so eine Art gesundes Frösteln, um den Wert von dem Vorhandenen zu erfahren.
Allein wenn ich mir die Kultur in Leipzig anschaue. Wir wissen schon gar nicht mehr wie gut es uns geht: Gewandhaus, Oper, Schauspiel, Muko, Mendelssohnhaus, da bin ich immer wieder gern … Und fast jede Woche ein kulturelles Highlight. Wir leben kulturell sehr vorteilhaft.

wbh: Im Hinblick auf die Landtagswahl im Sep 2019: Was kann jede*r Bürger*in aktiv tun, um dem Rechtsruck mit demokratischen Mitteln entgegenzuwirken?

Links wählen.

wbh: Was sind deines Erachtens in Sachsen und Brandenburg die Gründe für den Aufstieg von Rechtspopulisten bei der Europa- und Kommunalwahl?

Angst vor dem, was da auf uns zukommen könnte. Was aber nicht passiert. Angst, vor die Tür gestoßen zu werden. Das Parteien- und Postengerangel in den etablierten Parteien wirkt auf die Menschen. Für mich relativiert sich alles, wenn so Politiker wie Trump oder Putin mit ihrem diktatorischen Verhalten auftreten. Aus der neuen Cindarella Verfilmung habe ich mir mitgenommen: „Wir müssen mutig sein und freundlich.“ Das ist die Idee von Würde, ohne Pathos. Dahin müssen wir zurückkommen.

wbh: Angenommen, Rechtspopulisten ziehen in Sachsen zur Landtagswahl mit den gleichen Ergebnissen wie nach der Europa- und Kommunalwahl in den Sächsischen Landtag ein, welche Auswirkungen kann das für die Gesellschaft, Politik, Kunst und Kultur, Bildung und Soziales haben?

Noch mehr Stagnation. Weil es dann noch mehr Gezerre und Gerangel geben wird. Was die dort machen, ist nicht staatstragend. Es zerbröselt dann immer mehr.

wbh: Wie kann man Demokratie-Initiativen und Protagonist*innen vor Ort aktiv unterstützen und ihr Engagement stärken?

Indem man seinen Namen mit daruntersetzt, indem man sich dafür mit einsetzt. Oder wie die Bibel sagt: Tue Gutes und rede darüber. Die anderen erfahren sonst nichts darüber, was du tust oder wofür du dich engagierst.

wbh: Wie kann man Nichtwähler*innen erreichen, damit sie wählen gehen?

Ich habe eine Zeit lang auch nicht gewählt. Der Nichtwähler hat sich aber dann mit dem Ergebnis der Wahl zufrieden zu geben. Wenn ich zu den 15 Prozent gehören will, die eine Gesellschaft verändern, dann muss ich wählen gehen und immer eine Wahl treffen. Nicht nur im Sinne einer Wahlurne, sondern in jeder Sekunde meines Lebens. Wenn Du nicht an die Macht kommst, dann kommen andere an die Macht. „Horror vacui“. Es gibt kein Vakuum. Die Angst vor dem Nichts.

wbh: Wie kann man Menschen, die sich benachteiligt und abgehängt fühlen, bspw. Menschen, die nach dem Mauerfall viel verloren haben, Angst um ihre Existenz und vor Überfremdung haben, erreichen und in die Gesellschaft zurückholen?

Ich glaube, wir sollten auch manchmal die Leute lassen, die ihre Ruhe haben wollen. Wir können ihnen nur etwas anderes vorleben. Gert Ulms hat mir mal gesagt: „David, Du kannst eine Saat ausbringen, ob was wächst …“ Ich bin nicht für alles verantwortlich. Wenn der andere noch nicht reif genug dafür ist, dann macht er auch nicht.

wbh: Warum haben deines Erachtens Menschen Angst vor „dem bösen schwarzen Mann“, vor Migrant*innen und Muslimen?

Das ist ein Generationsproblem. Wir machen das, was wir vorgelebt bekommen. So bleiben wir in unseren Stereotypen. Der Ausländer ist sozialisiert in seiner Gemeinschaft, so wie wir Deutschen. Und je nachdem, was uns an Werten beigebracht wurde, können wir auch weitergeben. Und so verhält es sich mit den Mitmenschen, die einfach keine Erfahrungen mit „Fremden“ haben.

wbh: Meinst du, viele Menschen fühlen sich von Politiker*innen nicht entsprechend ihrer Meinung vertreten und abgeholt? Herrscht eine große Kluft zwischen Politiker*innen und Bürger*innen?

Ja. Die leben in einer Blase. Genauso, wie wir in einer Blase leben und nicht verstehen können, was die da treiben. Sultan Haron Altraschid aus dem alten Mosaik, der hat sich unters Volk gemischt. Dem Volk aufs Maul schauen. Dadurch hat er herausbekommen, was das Volk will und warum man seine Ideen abgelehnt hatte. 😊 Brauchen wir mehr von einem „Türken Ali“ alias Günther Wallraf?! Darüber sind sie alle gestolpert.

wbh: In den sozialen Medien war zu lesen, dass man weniger auf die „Bedürfnisse“ der besorgten und Wutbürger*innen eingehen soll, sondern eher auf die unserer Jugend. Wie siehst du das?

Nein. Wie erzieht eine Katze ihre Jungen? Mit der Sturheit einer Katzenmutter.

wbh: Wie wichtig sind Zivilgesellschaft und Zivilcourage?

Wollen wir in einer Militärdiktatur leben? Und wem nützt sie? Zivile Gesellschaft braucht Courage. Einfach Mut zur Auseinandersetzung. Das habe ich jeden Moment mit mir zu führen oder mit dir. Das ist das Leben.

wbh: Wie können wir unsere Demokratie schützen und stärken?

Indem ich zur Wahl gehe. Und an die Grundregeln zu halten, die wir aufgestellt haben. Uns bewusster werden, dass die Demokratie uns nicht aus dem Ärmel fällt wie das Ass. Denn das muss ich doch erst dort hineinstecken, um es aus dem Ärmel zuziehen. Es ist nichts selbstverständlich. Wer nicht handelt, wird gehandelt.

wbh: Was verbindest du mit: Wir sind mehr!

Das sind die, die das begreifen, was wichtig ist. Die es im Alltag leben. Wir sind die, die aktiv gestalten.

wbh: Was bedeutet für dich: Wir bleiben hier!

Ich könnte auch an einen anderen Ort der Welt gehen. Aber, dort ist es auch nicht besser. Egal wo ich lebe, ich muss es leben. „Mein Zuhause ist, wo ich meinen Hut hinhänge“ singt Bob Dylan. Leben kann ich überall. „Hier bleiben“ ist das als Ort gemeint oder als Idee? Geh von Zuhause weg. Und lerne die Welt kennen. Deine Idee vom Leben bleibt aber deine.

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