INTERVIEW MIT BENNO, SOZIALARBEITER

wbh: Magst du unseren Leser*innen kurz von deiner Arbeit und deinem Leben erzählen.
Wo bist du aktiv, wofür engagierst du dich und trittst du ein?

Ich arbeite als Sozialarbeiter in der Oberlausitz und unterstützte Jugendliche bei der Bewältigung individueller Herausforderungen im Alltag. Besonders wichtig ist mir, dass sich alle Menschen wohlfühlen, frei entfalten und positiv entwickeln können.

wbh: Was ist existenziell und notwendig für deine und eure Arbeit?

Verständnis für die Notwendigkeit und Wirkungsmächtigkeit unserer Arbeit auf allen Ebenen der Gesellschaft, insbesondere in der Politik.

wbh: Woran mangelt es?

Wir würden uns über mehr ehrenamtliches Engagement freuen.

wbh: Im Idealzustand: Was wünschst du dir für bessere Grund- und Rahmenbedingungen für deine und eure Arbeit?

Mehr Personal und finanzielle Unterstützung.

wbh: Was sind deine Wünsche an die Politiker*innen?

Gehen Sie auf die Straße und sprechen Sie mit den Menschen. Beim Bäcker, an der Bushaltestelle oder im Freibad. Auch wir würden uns freuen, wenn sich mehr Politiker*innen aktiv für unsere Arbeit interessieren würden. Bei uns angerufen und nachgefragt hat zumindest in den letzten Jahren keiner.

wbh: Was sind deine Wünsche an die Bürger*innen in deiner Stadt?

Ich wünsche mir, dass die Bürger*innen unserer Region häufiger den Austausch mit anderen Menschen suchen – auf Festen oder Diskussionsveranstaltungen – nicht nur untereinander, sondern auch mal über die Grenzen der eigenen Stadt und Gemeinde hinaus. Denn: „… Hinterm Horizont gehts weiter …“ Ich bin davon überzeugt, dass Erfahrungen wie diese unglaublich bereichernd für alle Menschen sein können.

wbh: Was bedeutet für dich: Wir bleiben hier!

„Wir bleiben hier!“ bedeutete für mich und uns zunächst einmal ein „Wir kommen zurück!“. Heute heißt es: „Wir bleiben hier!“, denn: „Wer, wenn nicht wir?“.

wbh: Was verbindest du mit: Wir sind mehr!

… das Gegenteil.

wbh: Was fehlt euch im Vergleich zu einem Leben beispielsweise in Leipzig?

Auffällig ist der Mangel an jungen Menschen mit Ideen und Wünschen für die Zukunft. Der Mangel an (Sub-)Kulturangebot nervt auch manchmal. In unserer Region müssen wir die Dinge deshalb oft selbst in die Hand nehmen und uns unser Kulturangebot erst schaffen, bevor wir es genießen können. Das ist am Ende nicht mal mehr ein Nachteil.

wbh: Gestaltest du Politik mit und wenn ja, wie?

Ich suche aktiv Gespräche mit politischen Interessensvertreter*innen, um für die Dinge, die mir wichtig sind, zu werben.

wbh: Was ist unser Erbe, was ist unsere Zukunft? Was wünschst du dir für ein besseres menschliches Miteinander?

Unser Erbe ist das unfassbare Glück, zufällig auf diesem Fleck auf dieser Welt geboren worden zu sein. Dieses Glück müssen wir in Verantwortung für nachfolgende Generationen erhalten und im Streben nach Wohlstand für alle weiter ausbauen statt begrenzen.

wbh: Was bedeuten für dich Freiheit, Schutz der Menschenwürde und Gleichberechtigung?

Jahrhunderte lang haben Menschen auf der ganzen Welt dafür gestritten und gekämpft. Ein Idealzustand ist wahrlich noch lange nicht erreicht und bleibt sicherlich auf ewig Utopie. Sich dessen bewusst zu sein, dass ich so frei, so sicher und so gleichberechtigt bin wie kein Mensch vorher auf dieser Welt zu einer anderen Zeit, erfüllt mich mit Ehrfurcht. Es macht mich stolz auf die Menschen, welche mir dieses Leben ermöglicht haben, und macht es mir zur Pflicht, ihre Errungenschaften zu bewahren und fortzuschreiben.

wbh: Wie wichtig sind Kunst und Kultur, Bildung, Medienkompetenz, Soziales, Jugendhäuser und psychologische Betreuung für unser Zusammenleben?

Sie sind das Fundament einer aufgeklärten, freien Gesellschaft.

wbh: Im Hinblick auf die Landtagswahl im Sep 2019: Was kann jeder Bürgerin aktiv tun, um dem Rechtsruck mit demokratischen Mitteln entgegenzuwirken? 

Jede*r kann seinen Mund auf machen – im Sportverein, in der Schlange an der Kasse oder im Stadt- und Gemeinderat. Jede*r kann sich engagieren – in der Kita, im Tierheim oder Jugendhaus um die Ecke. Jede*r kann sich informieren (mehr denn je), Wahlprogramme studieren und kritische Fragen stellen. Jede Stimme zählt!

wbh: Wie kann man Nichtwähler*innen erreichen, damit sie wählen gehen?

Verständnis durch Bildung schaffen. Selbstwirksamkeit ermöglichen und Erfahrungs- und Erprobungsräume unterstützen auf- und ausbauen. Menschen dadurch zeigen, dass ihr Engagement auf allen Ebenen wirkt.

wbh: Meinst du, viele Menschen fühlen sich von Politiker*innen nicht entsprechend ihrer Meinung vertreten und abgeholt?

Ja, da vielfach Wissen über parlamentarische Systeme und demokratische Aushandlungsprozesse fehlt.

wbh: In den sozialen Medien war zu lesen, dass man weniger auf die „Bedürfnisse“ der besorgten und Wutbürger*innen eingehen soll, sondern eher auf die unserer Jugend. Wie siehst du das?

Dem stimme ich zu. Der Jugend positive Identifikationsmöglichkeiten mit ihrer Region (etwa durch Sportvereine, Jugendclubs und Kulturangebote) zu schaffen, führt dazu, dass Jugendliche spüren, gesellschaftlich integriert und damit Bestandteil einer Gesellschaft zu sein, die allen Menschen Raum zur individuellen Entfaltung ermöglicht. Ich bin davon überzeugt, dass positive Erfahrungen in der Jugend und das Bewusstsein darüber, mehr Möglichkeiten zu haben als die eigenen Eltern oder Großeltern, dafür sorgt, sich die Frage nach dem Grund zu stellen.

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