INTERVIEW MIT FABIAN WOLFF

wbh: Magst du unseren Leser*innen kurz von deiner Arbeit und deinem Leben erzählen.

Neben meiner ehrenamtlichen Tätigkeit in der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, dem Deutschen Gewerkschaftsbund und der SPD bin ich Lehrer in Sachsen und unterrichte die Klassenstufen 5 bis 12.

wbh: Wo bist du aktiv, wofür engagierst du dich und trittst du ein?

Ich bin Bezirksvorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Leipzig und da setze ich mich für bessere Arbeitsbedingungen und eine gerechte Bezahlung in allen Bildungsbereichen von der frühkindlichen Bildung bis hin zur Erwachsenenbildung ein. Neben dem engagiere ich mich als Gewerkschafter immer auch für eine solidarischere und gerechtere Gesellschaft. Für diese Solidarität lässt sich besonders gut im Verbund mit den Mitgliedsgewerkschaften des Deutschen Gewerkschaftsbundes kämpfen.

wbh: Wie fühlt es sich an, Politik aktiv mitzugestalten?

Es ist meist recht ernüchternd. Man braucht viel Enthusiasmus.

wbh: Warum ist es wichtig, dass sich jede*r mit Politik beschäftigt und diese aktiv mitgestaltet und wie?

Nur wer sich mit Politik beschäftigt, kann in Ansätzen verstehen, wie Politik funktioniert und kommt dann vielleicht zum Entschluss, anstelle immer nur zu meckern, selbst anzupacken und die Dinge zu verbessern. Die meisten Menschen scheinen derzeit leider noch etwas zu träge, sich einzubringen. Unsere Demokratie bietet den großen Vorteil, dass diese Möglichkeit des Sich-Einbringens tatsächlich besteht. In einer parlamentarischen Demokratie entscheiden nämlich nicht nur die Abgeordneten alleine, sondern sind auch vielfach auf Hilfe und Expertise von Vertreter*innen gesellschaftlicher Vereinigungen angewiesen. Ohne die Expertise von beispielsweise Gewerkschaften könnte keine Partei eine wirklich gute Arbeitsmarktpolitik machen und selbst die Grünen holen sich sicher oft Rat bei Vertreter*innen von Umweltverbänden ein. Es lohnt sich also, um unsere Gesellschaft mitgestalten zu können, nicht nur in Parteien, sondern auch in Gewerkschaften und Kulturvereinen bis hin zu Sportvereinen aktives Mitglied zu werden bzw. zu sein.

wbh: Wie kann man die Themen Politik, Beschäftigung mit Demokratie und unseren Grundwerten stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit bringen?

Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass dieses Bewusstsein durchaus bereits in der Öffentlichkeit vorhanden ist. Schön wäre, die demokratische Bildung in der Schule zu stärken durch mehr politische Bildung, was ja in Sachsen gerade auf den Weg gebracht wurde, aber noch viel stärker durch gelebte Demokratie an den Bildungseinrichtungen. Das Grundproblem ist wahrscheinlich, dass es oft von der Schule bis zur Universität zwar bereits gute Rahmenbedingungen gibt und die Schüler*innen und Student*innen in der Theorie zwar vielfältig mitbestimmen könnten, diese Rechte aber in der Praxis aus verschiedenen Gründen leider noch nicht vollumfänglich wahrgenommen werden. Das kann zum Beispiel daran liegen, dass Schüler*innen sich beispielsweise nicht trauen, gegen ihre/n Schulleiter*in zu stimmen, oder ein/e Rektor*in einer Uni dem Personalrat einfach keine Räume zur Verfügung stellt, obwohl sie ihm zustehen würden. Wir brauchen also vor allem mehr Mut, die schon erkämpften Rechte auch durchzusetzen.

wbh: Im Hinblick auf die Landtagswahl im Sep 2019: Was kann jede*r Bürger*in aktiv tun, um dem Rechtsruck mit demokratischen Mitteln entgegenzuwirken?

Grundsätzlich erstmal freue ich mich, wenn sich alle Wähler*innen vollumfänglich über die Parteiprogramme informieren und hernach eine fundierte und sinnhafte Wahlentscheidung treffen. Anschließend kann sich auch jede/r in ihrer/seiner Familie und dem sozialen Umfeld trauen, über Politik zu reden und die erworbenen Informationen hier auch weitertragen. Es lohnt sich auch, gelegentlich einfach mal wieder im Grundgesetz zu lesen, wenigstens die ersten zwanzig Artikel, und daraus bei Gelegenheit zu zitieren. Ansonsten kann ja jede/r die etablierten demokratischen und solidarischen Parteien und Gruppen unterstützen, die sich gegen den Rechtsruck in der Gesellschaft engagieren. Man/frau muss ja nicht gleich in eine Partei eintreten, um zum Beispiel beim Plakatieren für den Wahlkampf selbige zu unterstützen.

Die AfD ist wohl auch deswegen so erfolgreich, weil sie sehr viel Geld für Wahlkampf ausgibt, statt in soziale und nachhaltige Projekte zu investieren. Und wenn man/frau sich dann wundert, dass in großen Teilen Sachsens quasi nur noch AfD-Plakate hängen, liegt das sicher daran, dass die Regionalgruppen der anderen Parteien kein Geld bzw. noch weniger ehrenamtlich Aktive vor Ort haben, die Wahlkampf machen könnten. Um etwas dagegen zu tun, muss man/frau eben den Wahlkampf seiner/ihrer nahestehenden Partei wahlweise finanziell unterstützen oder personell.

wbh: Angenommen, die AfD zieht in Sachsen zur Landtagswahl mit den gleichen Ergebnissen wie nach der Europa- und Kommunalwahl in den Sächsischen Landtag ein, welche Auswirkungen kann das für die Gesellschaft, Politik, Kunst und Kultur, Bildung und Soziales haben?

Ich fürchte leider, dass das unvermeidlich ist, dass die AfD diese Ergebnisse bekommt. Von dem Traum, dass die AfD nur eine Eintagsfliege ist, haben sich sicher die meisten Menschen verabschiedet. Man/frau wird sie nur mittel- oder langfristig schwächen können. Die NPD hat im Sächsischen Landtag weder auch nur einen sinnvollen Antrag gestellt, sondern auch noch den Landtag an sich stets ins Lächerliche gezogen. Dennoch wurde sie mehrfach in den Landtag gewählt. Die größte Gefahr tritt dann ein, wenn die CDU, um weiter regieren zu können, nur die Alternative zwischen einer Koalition mit Links oder der AfD hat. Dann ist zu befürchten, dass die CDU, vielleicht dann auch mit einem neuen Ministerpräsidenten, diese Koalition eingeht und sich eben nicht an das offizielle Verbot auf Bundesebene hält. Was die AfD in der Kulturszene Sachsens dann anrichten würde, hat sie bereits lang und breit dargelegt. Man/frau müsste sich nur einmal vorstellen, wie dann die politische Bildung in Sachen aussieht, wenn die AfD den Kultusminister stellt.

wbh: Meinst du, viele Menschen fühlen sich von Politiker*innen nicht entsprechend ihrer Meinung vertreten und abgeholt? Herrscht eine große Kluft zwischen Politiker*innen und Bürger*innen?

Das ist sicher zum Teil so, man/frau muss ja aber auch die Bürger*innen in die Pflicht nehmen und sie ermuntern, zum Beispiel auch die 500 m zum Bürger*innenbüro eines/r Politikers/in zurückzulegen und mit ihm/ihr ins Gespräch zu kommen. Das Leben in einer Demokratie bedeutet auch immer für jede/n Bürger*in eine Beteiligungsverantwortung. In ganz Sachsen gab es in der letzten Legislaturperiode sicher tausende Veranstaltungsformate der Abgeordneten des Sächsischen Landtags. Bei fast allen diesen Veranstaltungen konnte man/frau mitdiskutieren und somit Politik mitgestalten. Leider sind die meisten dieser Veranstaltungen nicht mal bis zur Hälfte gefüllt. Es ist zwar schön, wenn sich die Politiker*innen immer neue Formate ausdenken, um ein möglichst breites Publikum zu erreichen; noch schöner wäre es allerdings, wenn die Medien die Bürgerinnen auch an die oben genannte Verantwortung stets erinnern würden.

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