INTERVIEW MIT SÖREN PELLMANN

wbh: Magst du unseren Leser*innen kurz von deiner Arbeit und deinem Leben erzählen.

Ich bin vor 42 Jahren in Leipzig geboren worden, hier zur Schule gegangen und habe an der Uni Leipzig Lehramt studiert. Leipzig ist seit langem mein Zuhause.
 
wbh: Wo bist du aktiv, wofür engagierst du dich und trittst du ein?

Seit meinem 14. Lebensjahr bin ich politisch aktiv, zunächst in der PDS, später in der Partei DIE LINKE. Seit 10 Jahren bin ich ehrenamtlicher Stadtrat in Leipzig für DIE LINKE und seit dem Herbst 2017 direkt gewählter Bundestagsabgeordneter.

wbh: Wie fühlt es sich an, in Sachsen Politik aktiv mitzugestalten?

Es ist gerade in Sachsen noch nie leicht gewesen. Drei Jahrzehnte CDU-Regierung strengen an. Partei am rechten Rand spielten hier immer wieder eine Rolle. Und dennoch ist es ein gutes Gefühl, auch wenn es manchmal nur die kleinen Erfolge sind, für die Menschen vor Ort etwas zu tun. Dabei Hilfeleistung und Unterstützung zu geben, manchmal auch nur der „Türöffner“ zu sein.

wbh: Warum ist es wichtig, dass sich jede*r mit Politik beschäftigt und diese aktiv mitgestaltet und wie?

Politik gehört zur Demokratie zwingend dazu. Dabei ist es wichtig, sich vollumfänglich einen Überblick über aktuelle Themen zu verschaffen und sich dann dort einzubringen, wo das persönliche Wissen groß ist oder Menschen ein Interesse an Mitgestaltung haben. Entscheidend ist dabei nicht, ob das Engagement in einer Partei erfolgt oder über bürgerschaftliches Engagement. Es gibt viele Bürgerinitiativen und -bündnisse, die vor allem die Politik bereichern und mit neuen Ideen konfrontiert.

wbh: Wie kann man die Themen Politik, Beschäftigung mit Demokratie und unseren Grundwerten stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit bringen?

Ich glaube, diese Themen sind schon gut in der Öffentlichkeit präsent. Wichtig ist mir dabei, immer wieder aufzubegehren, wenn Hass und Falschinformationen einfließen. Insbesondere bewusste Falschinformationen zeichnen dieses Bild vor allem für die Öffentlichkeit. Hier hilft Reden und Aufklären.

wbh: Was ist unser Erbe, was ist unsere Zukunft? 

Unser Erbe sind viele Erfahrungen und Erinnerungen. Aber auch zahlreiche Gespräche mit Zeitzeugen aus politisch schwierigen Zeiten sind Erbe und Verpflichtung. Auch in Zukunft gilt es, für demokratisches, offenes und soziales Zusammenleben einzutreten.

wbh: Was wünschst du dir für ein besseres menschliches Miteinander?

Dass Menschen mehr solidarisch zueinander sind. Das nicht Hass und Hetze den Umgang bestimmen, sondern Zuneigung, Solidarität und gegenseitige Achtung.  

wbh: Was bedeuten für dich Freiheit, Schutz der Menschenwürde und Gleichberechtigung? 

Die individuelle Entfaltungsmöglichkeit eines jeden Menschen, unabhängig von allen Faktoren (Herkunft, Sprache, Lebensart, usw.). Also die Wahrung und Achtung der Menschenrechte.

wbh: Wie wichtig sind Kunst und Kultur, Bildung, Medienkompetenz, Soziales, Jugendhäuser und psychologische Betreuung für unser Zusammenleben?

Ich könnte lange darauf antworten. Aber kurz: Sehr wichtig. Das sind die Grundbedingungen für ein soziales Zusammenleben.
 
wbh: In Hinblick auf die Landtagswahl im Sep 2019: Was kann jeder Bürger*in aktiv tun, um dem Rechtsruck mit demokratischen Mitteln entgegenzuwirken? 

Der erste Schritt ist: Zur Wahl gehen und eine demokratische, meiner Meinung nach, linke Partei bzw. deren KandidatInnen wählen. Zweitens aber auch im Familien-, Freundes- und Kollegenkreis darüber sprechen. Auch was es bedeuten würde, wenn die Stimmung weiter nach rechts kippt.

wbh: Was sind deines Erachtens in Sachsen und Brandenburg die Gründe für den Aufstieg der AfD bei der Europa- und Kommunalwahl?

Naja, in Leipzig hat die AfD glücklicherweise keinen guten Stand. Das liegt zum einen an ihren menschenverachtenden Inhalten, aber auch an ihren Parallelen zu rechtsextremen Gedanken. Aber meine Aufgabe ist es, die Ursachen anzugehen und dabei die eigene Haltung nicht aufzugeben. Wir müssen die Menschen davon überzeugen, dass dieser Schritt, dort sein Kreuz zu machen, falsch ist.

wbh: Angenommen, die AfD zieht in Sachsen zur Landtagswahl mit den gleichen Ergebnissen wie nach der Europa- und Kommunalwahl in den Sächsischen Landtag ein, welche Auswirkungen kann das für die Gesellschaft, Politik, Kunst und Kultur, Bildung und Soziales haben?

Ich glaube, das politische Klima würde sich weiter verschlechtern. Und wenn diese Leute die Möglichkeit hätten, ihre wenigen Inhalte umzusetzen, würde es in Sachsen mehr soziale Schiefstellungen geben, das Bildungssystem würde weiter abbauen und auch die Kunst- und Kulturfreiheit würden Schaden nehmen.  Das alles sind Gründe, diesen Trend aufzuhalten und umzukehren.

wbh: Wie kann man Demokratie-Initiativen und Protagonist*innen vor Ort aktiv unterstützen und ihr Engagement stärken?

Durch persönliche Unterstützung, das können Mitarbeit, Solidarisieren oder auch finanzielle Hilfe sein.  

wbh: Wie kann man Nichtwähler*innen erreichen, damit sie wählen gehen?

Wenn sie den Eindruck haben, dass ihre Stimme entscheidet und wichtig ist, dann mobilisiert das auch. Zur letzten Bundestagswahl haben wir mit einer solchen Steigerung erreicht, dass DIE LINKE mit mir das erste Mal ein Direktmandat in Sachsen gewinnt.  

wbh: Wie kann man Menschen, die sich benachteiligt und abgehängt fühlen, bspw. Menschen, die nach dem Mauerfall viel verloren haben, Angst um ihre Existenz und vor Überfremdung haben, erreichen und in die Gesellschaft zurückholen?

Ihre Sorgen und Nöte ernst nehmen. Aber auch weiterhin für die Aufhebung dieser Ungleichbehandlungen, egal ob bei den Löhnen oder den Renten, zu kämpfen.

wbh: Warum haben deines Erachtens Menschen Angst vor „dem bösen schwarzen Mann“, vor Migrant*innen und Muslimen?

Ich glaube nicht, dass es Angst ist. Ich unterscheide dabei immer noch zwischen Sorgen und Hass. Die Menschen, welche Sorgen haben, häufig auch aus Unkenntnis heraus, kann man überzeugen. Menschen, die den puren Hass zeigen, sind nicht zu überzeugen.  

wbh: Meinst du, viele Menschen fühlen sich von Politiker*innen nicht entsprechend ihrer Meinung vertreten und abgeholt? Herrscht eine große Kluft zwischen Politiker*innen und Bürger*innen?

Zunächst ich bin Bürger und Politiker. Meiner Meinung nach ist es wichtig, dass man die Bodenhaftung und den Kontakt zu den Wählerinnen und Wählern nie verliert. Ich habe dabei ein gutes Gefühl und was ich an täglichen Rückäußerungen bekomme, bestätigt das auch.
 
wbh: In den sozialen Medien war zu lesen, dass man weniger auf die „Bedürfnisse“ der besorgten und Wutbürger*innen eingehen soll, sondern eher auf die unserer Jugend. Wie siehst du das?

Ich glaube, man muss das eine tun und das andere nicht vergessen sollte. Wenn hören aber bedeutet, sich der Meinung dann einfach nur anzuschließen, ist das der falsche Weg. Es gibt auch hier kein wirkliches Gegeneinander.

wbh: Wie wichtig sind Zivilgesellschaft und Zivilcourage?

Unbeschreiblich wichtig.

wbh: Wie können wir unsere Demokratie schützen und stärken?

Indem klare Regeln der Diskussion und Wertschätzung, also des Miteinanders bestehen. Wer diese Regeln nicht einhält oder dagegen verstößt, muss mit Konsequenzen rechnen. Ich vertraue dabei aber auf eine demokratische Mehrheit.
 
wbh: Was verbindest du mit: Wir sind mehr!

Zunächst eine tolle Veranstaltung. Wo ich viele Freunde und Gleichgesinnte getroffen habe, aber auch neue Kontakte knüpfen konnte. Es stärkt enorm das Miteinander.

wbh: Was bedeutet für dich: Wir bleiben hier!

Leipzig ist mein Geburtsort. Hier bin ich groß geworden, hier lebe ich, hier arbeite ich. Hier habe ich viele Freunde und meine Familie. Es gibt keinen besseren Ort. Und davon lasse ich mich auch nicht abbringen. Wir bleiben hier!

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